Die Inspiration für diesen Text hatte ich im April 2020. Vor knapp vier Monaten waren wir nach Wuppertal umgezogen mit der klaren Erwartung, dass es in dieser Stadt regnen würde – viel regnen würde – Wikipedia war da ziemlich eindeutig. Nun leben wir aber in Zeiten der Klimakrise, daher verbrachte ich Tag um Tag entspannt mit meinem Laptop auf unserem sonnigen Balkon. Die Tagesthemen berichteten, dass wir auf den dritten Dürresommer in Folge zusteuerten und es im April deutschlandweit nur 1,5 Liter pro Quadratmeter geregnet hatte, wo eigentlich sonst 50 Liter fallen sollten.
Wir leben in Zeiten des Klimawandels. Diesen Begriff – Klimawandel – habe ich während meines Studiums im Rahmen eines Linguistikseminars bereits 2007 per Diskursanalyse
auseinandergenommen. Wir betrachteten damals, in welchen Zusammenhängen das Wort auftaucht und vor allem, wie sich die Zunahme des Wortes Klimawandel in den deutschen Medien entwickelt hatte. Das
war spannend – hatte zu diesem Zeitpunkt aber noch keine starken Auswirkungen auf mein eigenes Leben. Heute benutze ich den Begriff Klimawandel nur noch selten – ich spreche eher von
Klimakrise oder auch von Klimakatastrophe. Oft auch, um die Gefahr deutlich zu machen, in der wir uns bereits befinden, in der Hoffnung, dass mein Gegenüber endlich versteht, dass es
hier ums persönliche Handeln geht.
Der Klima-Wandel war da entspannter. Ein Wandel ist ein Phänomen, das nicht wehtun muss – bei einer Krise oder einer Katastrophe ist die Not, schnell etwas zu tun, schon deutlich größer.
Ein Wandel hat fast etwas Magisches: Man verändert sich von einem Zustand in den anderen, verwandelt sich – dreht Eigenschaften, die bislang galten, zu etwas Neuem um. Wenn ich
das Wort wandeln im Duden nachschlage, dann finde ich folgende Bedeutungen:
Und auch:
Wenn ich diese Bedeutungen lese, hat das für mich etwas Tröstliches. Was ganz klar ist: Ein Großteil der Gesellschaft der westlichen Welt und ich mit ihr (ich bin im Jahr 1987 geboren, daher
bewussten Geistes wahrscheinlich seit dem Jahr 2000) haben es verbockt. Es ist viel zu viel Zeit verstrichen, ohne dass Regierungen und auch jeder Einzelne bewusst etwas dafür getan haben, dass
sich der CO2-Ausstoß drastisch ändert. Wir müssen da ran – und wir haben keine Zeit mehr. Das führt zu dem Wort Krise oder Katastrophe: Es muss jetzt gehandelt werden.
Insbesondere auf politischer Ebene müssen endlich Rahmenbedingungen gesetzt werden, die nachhaltiges Verhalten belohnen und fördern – und es nicht zu einem Nachteil werden lassen, für den oder
diejenige, die sich nachhaltig verhält.
Für die persönliche Veränderung allerdings bevorzuge ich weiterhin den Begriff Wandel. Um das eigene Leben auf Dauer nachhaltig auszurichten, sollten wir uns verwandeln.
Das bedeutet vor allem: Abschied nehmen von alten Gewohnheiten. Das tut schon weh und unser Gehirn ist davon auch nicht begeistert und versucht uns regelmäßig dazu zu bringen,
doch wieder die alten neuronalen Autobahnen zu benutzen. Aber es geht! Vier Wochen durchhalten ist so ein Klassiker, den ich vor Jahren von einem Lauf-Trainer gelernt habe. Vier Wochen
ein neues Verhalten beibehalten – jeden Tag – und die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, dass dann das neue Verhalten zur Gewohnheit geworden ist. Erleichternd sind für das neue Verhalten
aber Rahmenbedingungen, die das veränderte Verhalten unterstützen – und hier ist auch wieder die Politik gefragt. Es ist viel schwerer ein neues Verhalten anzunehmen, wenn es mir von der
Infrastruktur oder der Preispolitik noch doppelt schwer gemacht wird und wenn es eigentlich nur mit Nachteilen für mich verbunden ist.
2015 habe ich einen neuen Job angefangen, bei dem es eine Kantine gab, in der jeden Tag ein vegetarisches Gericht zur Auswahl stand. Das, dachte ich damals, ist ein guter Start. Mir war bereits
bewusst, dass unsere Ernährung massiv zum Klimawandel beiträgt und eine pflanzliche Ernährung auf Dauer der einzige Weg ist, um den CO2-Ausstoß auf diesem Gebiet zu reduzieren. Also nahm ich mir
vor, jeden Tag in der Kantine das vegetarische Gericht zu essen – egal, was es sonst noch gab. Für den Rest meiner Ernährung hatte ich mir keinen Druck gemacht. Am Anfang ging es nur um
dieses eine Gericht – doch der Wandel geschah. Ohne mich wirklich zu etwas zu zwingen, übernahm ich die mir selbst auferlegte Regel auch in anderen Bereichen meines Lebens: Wenn ich im
Restaurant war und es vegetarische oder vegane Gerichte auf der Speisekarte gab, wählte ich eher diese. Ich fing an vegetarische Wurst zu testen, wenn ich wirklich Japp auf Fleischwurst hatte,
und stellte fest, dass der geschmackliche Unterschied nicht vorhanden war. So verwandelte ich mich innerhalb eines Jahres zu einem Beinahe-Vollzeit-Vegetarier. Die Ausnahmen blieben
Familienbesuche und Feiern, wo ich aufgrund des lieben Friedens willen und um den GastgeberInnen keinen Stress zu machen, weiterhin Fleisch aß. Das ist bis heute so: Privat esse und koche ich
vegan / vegetarisch – aber wenn ich bei Menschen zu Besuch bin, die ein Essen mit Fleisch vorbereitet haben oder es in einem Restaurant einfach keine andere Auswahl gibt, mache ich eine
Ausnahme.
Mit dem Blick von heute kann ich sagen, dass dieser erste Schritt damals in der Kantine, mich verwandelt hat. Ich bin zu einer anderen geworden als ich es damals war. Das nachhaltige
Verhalten ist von der Ernährung in alle anderen Bereiche meines Lebens gedrungen und dringt immer noch weiter ein. Das tut mir nicht weh und hat nichts mit Zwang zu tun. Ich verbiete mir nichts,
sondern ich wähle bewusst anders. Das führt mich auch zu anderen Bewertungen. Wenn ich beispielsweise mit der Bahn anreise, beklage ich nicht, dass die Fahrt gegebenenfalls 1,5 Stunden
länger dauert als mit dem Auto (Stau nicht eingerechnet), sondern freue mich über die insgesamt 3 Stunden Zeit, die ich zum Arbeiten, Entspannen und Ideen spinnen habe. Wenn ich im
Unverpacktladen einkaufen gehe, ärgere ich mich nicht, dass es die Nahrungsmittel in einem klassischen Supermarkt vielleicht im Angebot und daher günstiger gibt, sondern ich genieße den Einkauf,
das ästhetisch schöne Angebot und die Freude der kleinen Kinder, wenn sie Nudeln, Nüsse und Co. in ihre mitgebrachten Behälter füllen können.
Wer wandelt geht gemessenen Schrittes. Im Gegensatz zum ziellosen Umherwandeln ist beim Klimathema das Ziel hoffentlich mittlerweile allen klar: Wir müssen etwas tun! Wir können
die Fakten der Wissenschaft und die klar spürbaren Anzeichen in unserer Umgebung nicht länger ignorieren. Nutzen wir diese Zeit für unseren eigenen Wandel. Gemessenen Schrittes mit einem
Thema starten und diese Gewohnheit verändern. Und dann offen dafür sein, was sich als nächstes im eigenen Leben verändern möchte. Nicht aufhören, dem Wandel nachzuspüren, der sich in uns ereignen
möchte, und bequem werden, nur weil wir einen ersten Schritt gegangen sind. Sondern weiter wandeln, sich verändern und damit das eigene Leben verändern. Nicht ängstlich werden und
erstarren, weil die Probleme bereits unlösbar und so groß scheinen. Ich glaube an den Wandel im Kleinen. Wenn jeder ihn beschreitet, dann kann er zu einem Wandel im Großen führen – und das
passiert dank Greta Thunberg und vielen anderen ja bereits jetzt.
(geschrieben im Mai 2020)
Die Website des Wandelforums - ein Zusammenschluss aus sympathischen Menschen, die den Wandel in die Welt bringen möchten: https://www.wandelforum.de/
Die großartigen Interviews von Tilo Jung mit verschiedenen Scientists for Future: Maja Göpel und Volker Quaschning
Zum Thema Ernährung: Die intensive und wachrüttelnde Dokumentation Hope for all (Warnung! Unbedingt angucken, aber gefasst sein – ich habe ab Minute 30 bis zum Ende nur noch geheult) – oder die sehr mutmachende Dokumentation The Game Changers zum Thema vegane Ernährung im Extremsport
Für interessierte UnternehmerInnen - Die Entrepreneurs for Future: https://www.entrepreneurs4future.de/
Wer das Gefühl hat, ein wenig Begleitung beim (Ver)Wandeln des eigenen Lebens könnte nicht schaden, kann sich gerne für ein Coaching bei mir melden. Als professionelle Wandel-Begleiterin helfe ich immer gerne – bei diesem Thema und vielen anderen.