In einem meiner letzten Kommunikationstrainings habe ich mit einer Gruppe Azubis gearbeitet. Nur Jungs, alle am Beginn ihrer Ausbildung und alle auf einem nicht ganz geraden Weg in ihre Ausbildung gekommen. Als ich mein Standardbild vom Kommunikationsmodell zeichnete und mit ihnen die Bedeutung der Beziehungsebene besprach – und dabei meinen Standardsatz sagte, wie zentral Vertrauen doch für die Beziehung und eben auch die Kommunikation ist, sah mich einer von ihnen mit durchdringendem Blick an: „Und was mache ich, wenn ich nicht vertrauen kann?“
In dem Moment, als er mir diese Frage stellte, habe ich mich ein bisschen geschämt. Denn ich habe aus meiner heilen Welt heraus noch nie über diese Frage nachgedacht. Mir fällt vertrauen leicht. Vielleicht manchmal schon fast zu leicht. Ich glaube relativ problemlos daran, dass die übergroße Mehrheit der Menschen gut ist und so gehe ich auch in die Welt und mit meinen Mitmenschen um. Aus diesem Verhalten haben sich schon die tollsten Geschichten ergeben: Begegnungen mit wildfremden Menschen, insbesondere auch auf Bahnfahrten, wo Essen mit mir geteilt wurde, ich kostenlose Stadtführungen bekommen habe oder einfach nach Hause eingeladen wurde. Dadurch, dass mir bislang nie etwas Schlimmes passiert ist (toi toi toi!) haben diese Erfahrungen mein Vertrauen nur weiter gesteigert.
Und was habe ich nun dem jungen Mann gesagt? Ich bin etwas ins Schwurbeln gekommen: Wie wichtig einfach die ersten Erfahrungen als Baby für das Thema Vertrauen sind. Wenn man nicht vertrauen
kann, dass dann vielleicht zumindest respektieren ein erster Schritt ist, um die Verbindung zum anderen aufzubauen. Dass die Erkenntnis, dass einem selbst Vertrauen schwerfällt, ja schon
ein erster Schritt der Bewusstmachung ist – und umso besser, wenn man das auch noch äußern kann. Dann weiß der andere (in diesem Fall der Ausbilder) Bescheid und kann von seiner Seite
aus in der Kommunikation darauf eingehen. Alles nicht so wirklich zufriedenstellend.
Im Arbeitskontext begegnet uns das Thema Vertrauen nicht so häufig im Zusammenhang mit Kommunikation, sondern eher mit Kontrolle. Gerade wenn es um das Thema Selbstorganisation
geht, stoßen wir ziemlich schnell auf das Menschenbild im Hintergrund – und wie sich dieses auf das Loslassen und Vertrauen in
die eigenen MitarbeiterInnen auswirkt. Die Forscherin Antoinette Weibel setzt sich seit langem mit dem Thema Vertrauen im Unternehmenskontext auseinander. Ihre Tipps: Gerade die
Führungskräfte sollten in den Vertrauensvorschuss gehen, eigene Ungewissheiten und Unsicherheiten zugeben, nachfragen und vor
allem: Zuhören.
Und auch in diesem Kontext kommen Menschen häufig an ihre Grenzen, wenn sie nicht so leicht vertrauen können. Beispielsweise im Zusammenhang von Home-Office und Remote-Arbeit war und ist dies in
den letzten Jahren immer wieder Thema. Ich denke auch hier ist der erste Schritt, genau wie bei meinem Teilnehmer im Training, die Bewusstmachung: Habe ich vielleicht Schwierigkeiten zu
vertrauen? Welche Geschichten habe ich im Zusammenhang mit Vertrauen erlebt? Übertrage ich hier vielleicht etwas auf die aktuelle Situation? Antoinette Weibel schlägt in diesem
Zusammenhang außerdem vor, sich zu fragen: Woran merke ich eigentlich selbst, dass mir jemand vertraut? Und sich dann dieses Verhalten abzugucken. Fake
it till you make it – Tu einfach so, als würdest du vertrauen, auch wenn du (noch) nicht wirklich vertrauen kannst. Und beobachte dann genau, was die Auswirkungen deines veränderten
Verhaltens sind.
Vertrauen aufzubauen und nach und nach wieder zu erlernen ist auf jeden Fall ein längerer Weg. Aber ein lohnenswerter und, aus meiner Sicht, für eine effektive Kommunikation essentieller. Ich
wünsche dir den Mut meines Teilnehmers, hier genau hinzugucken und dich möglicherweise auf die Reise zu begeben, dein eigenes Verhalten im Vertrauen genauer zu erkunden. Um, wie die
Traumaexpertin Dami Charf sagt: Verbundenheit und Neugier auf das Leben wiederzufinden.
(geschrieben im Januar 2024)
Ein relativ kurzes Interview mit Antoinette Weibel, in dem sie einige Grundlagen zu ihrer Vertrauensforschung vorstellt.
Ein Beitrag von Dami Charf zum Thema Nähe, Vertrauen und Trauma. Es lohnt sich wirklich, hier mal hineinzugucken. Wenn wir auf das Thema Entwicklungstrauma blicken, sind wir in Deutschland so ziemlich alle betroffen. Daher ist es umso wichtiger, finde ich, sich beim Thema Trauma ein solides Hintergrundwissen anzueignen.
Eine weitere Idee, um das eigene Vertrauensgefühl zu stärken, Mitgefühl aufzubauen und Verbindung zu schaffen: Die Metta Bhavana-Meditation (Meditation der liebenden Güte) aus dem Buddhismus.
Hier habe ich ein kleines Informationsblatt zum Thema Kontrolle und Vertrauen mit einigen Reflexionsfragen zusammengestellt. Schau gerne mal rein – Gerade wenn du ein Team leitest und öfter Schwierigkeiten damit hast, die Kontrolle an andere abzugeben.
Ich bin keine Therapeutin und kann dir daher beim Thema Vertrauen, wenn es deutlich tiefer geht, nur begrenzt weiterhelfen. Wenn du aber Lust hast, das Thema erst einmal weiter zu erkunden oder dich insgesamt stärker in deiner (Führungs-) Rolle reflektieren willst, freue ich mich sehr, wenn du dich bei mir für ein Coaching meldest!