Von der Profession

Oder: Die Relevanz von Coaching, Moderation und Training

Vor einigen Jahren fragte mich meine Hausärztin, die ich sehr schätze, was ich denn beruflich so mache. Nachdem ich es ihr erklärt hatte, sah sie mich mit großen Augen kritisch an und sagte: Und dafür gibt es jetzt nen Berufszweig?! – Ich lachte mit ihr, und dachte gleichzeitig: Ja, dafür braucht es jetzt nen Berufszweig.

 

Meine eigene Profession, die des Coaches, des Weg-Begleiters, des Trainers und des Moderators halte ich für unglaublich wichtig und sehe in meiner konkreten Arbeit auch immer wieder, wie hilfreich sie für Menschen sein kann. Vor vielen Jahren gab mir beispielsweise eine Teilnehmerin nach einem Schlagfertigkeitstraining das Feedback: Frau Behme, dieses Training hat mir mehr geholfen als sechs Jahre Psychotherapie! Und gleichzeitig belächle ich meine Profession oft selbst und nehme sie nicht allzu ernst. Insbesondere, wenn ich mich auf dem Markt umschaue, wer sonst noch so als Trainer, Coach und Berater unterwegs ist. (An dieser Stelle auch direkt eine Entschuldigung für die pauschale Kritik: Genauso gibt es natürlich sehr viele sehr gute TrainerInnen und Coaches.)

 

Coach und Trainer, das sind keine geschützten Begriffe. Jeder kann sich so nennen und viele tun es auch. Der Markt ist voll und man kann insbesondere Coaching eigentlich für alles anbieten: Lebens-Coach, Wellness-Coach, Flow-Coach, Lifestyle-Coach, Agile-Coach… - die Liste ist lang. Oft gucke ich mir das Angebot mit dem gleichen kritischen Blick an, mit dem meine Hausärztin mich angeguckt hat und denke mir: Was ist eigentlich los da draußen?! Im Coaching ist es jetzt sogar so weit gekommen, dass in Schulen, wenn das Thema Sekten durchgenommen wird, explizit auch vor Coaching gewarnt wird. Als ich das erste Mal durch eine Kollegin mit Kindern von dieser Geschichte hörte, war ich entsetzt – und im nächsten Moment aber verständnisvoll: Ich denke, es ist wirklich nötig, in diesem Bereich gute Aufklärung zu betreiben und einen kritischen Blick zu schärfen.

Was macht nun in meinen Augen meine Profession aus? Was ist der Mehrwert, der durch meine Tätigkeit in die Welt kommt und ist dies gerechtfertigt – und kein Bullshit-Job? Folgende Punkte fallen mir dazu ein:

 

  • Coaching ist ein Angebot für Menschen, die nicht "psychisch krank" sind (und dementsprechend eine deutlich längerfristige persönliche Begleitung benötigen), aber trotzdem gerne mit ihren Themen, Problemen und beruflichen oder privaten Herausforderungen arbeiten möchten. Diese Nische wird von Psychotherapeuten, die ja ohnehin in den meisten Städten heillos überlaufen sind, oft nicht abgedeckt. Hier kann ein Coaching-Angebot in jedem Fall helfen.
  • Die klassischen Themen aus dem Bereich der sozialen Kompetenzen, die im Training unterrichtet werden, kommen im Schulunterricht in der Regel nicht vor. Als ich selbst noch zur Schule ging und im Rahmen meiner Jugendgruppenleiter-Ausbildung gelernt hatte, Feedback zu geben, war ich sehr enttäuscht darüber, dass so relevantes Wissen nicht im Schulalltag angesprochen wird. Für viele Themen, die klassisch im Training unterrichtet werden – wie Kommunikation, Konfliktmanagement, Persönlichkeits- oder Teamentwicklung – braucht es ein gesondertes Format, da die Themen sonst im Bildungssystem nicht oder nur oberflächlich abgedeckt werden.
  • Im Organisations- und Unternehmenskontext sind externe Coaches und Moderatoren oft unverzichtbar. Sie sorgen durch ihre externe Position dafür, dass auch kritische Themen angesprochen werden können, die sonst unter den Teppich gekehrt werden oder gar nicht auffallen, weil sie im Bereich des blinden Fleckes der Organisation liegen. Voraussetzung dafür ist, dass der externe Coach oder Moderator diese Rolle des kritischen Beobachters, des Narren, der auch die unangenehmen Dinge ausspricht, tatsächlich einnimmt.


Und damit komme ich zum zweiten Bereich der Profession: Was sind die Fähigkeiten, die jemand mitbringen muss, um diesen Beruf kompetent auszufüllen? Auch dazu wieder ein paar Gedanken:

  • Coaching ist ein Handwerk sagte mein Ausbilder immer. Training und Moderation auch würde ich ergänzen. Für alle Formate braucht man solide Grundkenntnisse, praktische Fähigkeiten und Erfahrung. Dazu gehören:
  • Zuerst einmal unterscheiden können, welches Format für das aktuelle Problem tatsächlich das geeignete ist (eine Übersicht findest du hier).
  • Die Gruppe oder die Einzelperson halten können, das heißt: Emotionen wahrnehmen, aussprechen und aushalten.
  • Einen Koffer mit vielfältigen Methoden beherrschen, die je nach Problem, Thema und Gruppe passend eingesetzt werden.
  • Die ganze Bandbreite der kommunikativen Kompetenzen beherrschen: Vom Präsentieren, über das Moderieren zur allerwichtigsten Fähigkeit: dem aktiven Zuhören.
  • Wer als Coach, Trainer oder Moderator mit Menschen arbeitet, braucht außerdem gute Wahrnehmungsfähigkeiten. Damit meine ich, Stimmungen zu erspüren, körpersprachliche Signale mitzubekommen, sensibel zu sein für Formulierungen und Wortwahl. Diese Fähigkeiten kann man trainieren und verbessern. Eine gewisse Grundempathie macht die Sache aber auf jeden Fall einfacher.
  • Ein ganz zentraler Punkt ist für mich auch das Wertesystem und das Menschenbild, aus dem heraus man arbeitet. Dies ist vielleicht keine Grundvoraussetzung, um den Job gut auszuführen, aber sorgt doch dafür, dass mit den Inhalten und Techniken kein Unwesen getrieben wird (in Richtung Patentrezepte oder Manipulation). Fast alle Methoden gehen auf die Humanistische Psychologie zurück und sehen den Menschen als ein "gutes" und fähiges Wesen voller Ressourcen an, das ermutigt und unterstützt werden sollte, um das Wachstum der eigenen Persönlichkeit zu fördern.
  • Fachliches Wissen in den Themengebieten, die man unterrichtet, ist auf jeden Fall auch wichtig. Genauso wie die persönlichen Erfahrungen für die Arbeit im Coaching: Nur wer bereits selbst durch die Emotionen, die mit den Themen des Coachees zusammenhängen, gegangen ist, kann den anderen gut auf seinem oder ihrem eigenen Weg begleiten und unterstützen.


Coach und Trainer zu sein ist also gar nicht so trivial. Und oft ist es ein ganz wunderbarer Beruf, in dem man etwas zutiefst Sinnvolles tun kann: Andere Menschen auf ihrem eigenen Weg unterstützen, (Selbst-) Erkenntnisse schaffen, alte Wunden heilen, gemeinsam auch durch dunklere Täler gehen und neue Leidenschaften und Begeisterung wecken. Daher liebe Leserin und lieber Leser: Solltest du das Gefühl haben, das ist genau dein Ding – leg los! Aber lerne diese Profession bitte sauber und mit der nötigen Tiefe. Damit uns allen in Zukunft kritische Blicke und ein belächelndes Grinsen erspart bleiben ;-)

(geschrieben im Juni 2020)

Zum Weiterlesen:

Um nicht auf die Nase zu fallen, empfehle ich dir, bei neuen Coaches oder TrainerInnen, mit denen du arbeiten möchtest, auf die Mitgliedschaft in Berufsverbänden zu achten. Diese garantieren in der Regel Qualität. Eine Übersicht verschiedener Verbände findest du bei dem Dachverband der Weiterbildungsorganisationen (DVWO) – zum Thema Coaching gibt es eine sehr umfassende Übersicht im Coaching Report.


Das Forum Werteorientierung in der Weiterbildung hat einen eigenen Berufskodex entwickelt. In diesem sind die ethischen Richtlinien für die Arbeit in der Weiterbildung festgelegt.



Kleiner Werbeblock am Rande

Ich würde diesen Text nicht schreiben, wenn ich nicht denken würde, dass ich schon ziemlich gut in dieser Profession bin. Daher: Melde dich gerne bei mir! Ich freue mich darauf, dich und dein Team bei euren Themen zu begleiten!